Nebenklage

 

Geschädigte bestimmter Straftaten oder dessen Hinterbliebene können gem. §§ 395 - 402 Strafprozessordnung (StPO) im Straf- bzw. Sicherungsverfahren vor Gericht als sog. Nebenkläger auftreten. Sie sind dadurch nicht auf eine bloße Zeugenrolle reduziert, sondern können das Strafverfahren als Prozessbeteiligter mit Anträgen, Zeugenbefragung u.ä aktiv mitgestalten. Bei welchen Straftaten das der Fall ist und welche Personen hierzu berechtigt sind, ist abschließend in § 395 StPO geregelt.

 

 

§ 395 StPO (Befugnis zum Anschluss als Nebenkläger)

 

(1) Der erhobenen öffentlichen Klage oder dem Antrag im Sicherungsverfahren kann sich mit der Nebenklage anschließen, wer verletzt ist durch eine rechtswidrige Tat nach

 

  1. den §§ 174 bis 182 des Strafgesetzbuches,
  2. den §§ 211 und 212 des Strafgesetzbuches, die versucht wurde,
  3. den §§ 221, 223 bis 226a und 340 des Strafgesetzbuches,
  4. den §§ 232 bis 238, 239 Absatz 3, §§ 239a, 239b und 240 Absatz 4 des Strafgesetzbuches,
  5. § 4 des Gewaltschutzgesetzes,
  6. § 142 des Patentgesetzes, § 25 des Gebrauchsmustergesetzes, § 10 des Halbleiterschutzgesetzes, § 39 des Sortenschutzgesetzes, den §§ 143 bis 144 des Markengesetzes, den §§ 51 und 65 des Designgesetzes, den §§ 106 bis 108b des Urheberrechtsgesetzes, § 33 des Gesetzes betreffend das Urheberrecht an Werken der bildenden Künste und der Photographie und den §§ 16 bis 19 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb.

 (2) Die gleiche Befugnis steht Personen zu,

 

  1. deren Kinder, Eltern, Geschwister, Ehegatten oder Lebenspartner durch eine rechtswidrige Tat getötet wurden oder
  2. die durch einen Antrag auf gerichtliche Entscheidung (§ 172) die Erhebung der öffentlichen Klage herbeigeführt haben.

(3) Wer durch eine andere rechtswidrige Tat, insbesondere nach den §§ 185 bis 189, 229, 244 Absatz 1 Nummer 3, §§ 249 bis 255 und 316a des Strafgesetzbuches, verletzt ist, kann sich der erhobenen öffentlichen Klage mit der Nebenklage anschließen, wenn dies aus besonderen Gründen, insbesondere wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint.

 

(4) Der Anschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zulässig. Er kann nach ergangenem Urteil auch zur Einlegung von Rechtsmitteln geschehen.

 

(5) Wird die Verfolgung nach § 154a beschränkt, so berührt dies nicht das Recht, sich der erhobenen öffentlichen Klage als Nebenkläger anzuschließen. Wird der Nebenkläger zum Verfahren zugelassen, entfällt eine Beschränkung nach § 154a Absatz 1 oder 2, soweit sie die Nebenklage betrifft.

 

 

Die Nebenklage ist bei Delikten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (z. B. Sexueller Missbrauch von Kindern, Vergewaltigung, Sexuelle Nötigung u. ä.), versuchtem Mord, versuchtem Totschlag, Aussetzung, allen vorsätzlichen Körperverletzungsdelikten, allen Freiheitsdelikten einschließlich erpresserischer Menschenraub und Geiselnahme möglich. Seit neuestem können auch Stalkingopfer (Nachstellung gem. § 238 StGB) als Nebenkläger bei Verstößen gegen Verfügungen nach dem Gewaltschutzgesetzauftreten. Bei anderen rechtswidrigen Taten, insbesondere einer fahrlässigen Körperverletzung (z. B. bei Verkehrsunfällen) und Delikten gegen die Ehre (Beleidigung, Verleumdung o. ä.), sowie verschiedenen Eigentumsdelikten wie § 244 Absatz 1 Nummer 3 und §§ 249 bis 255, als auch der räuberische Angriff auf Kraftfahrer nach § 316a des Strafgesetzbuches ist für den Verletzten die Nebenklage zulässig, wenn dies aus besonderen Gründen, namentlich wegen der schweren Folgen der Tat, zur Wahrnehmung seiner Interessen geboten erscheint, Absatz. 3 der Vorschrift. Ist durch die rechtswidrige Tat jemand getötet worden, so steht das Nebenklagerecht den Eltern, Kindern, Geschwistern und dem Ehegatten oder Lebenspartner zu.

 

Die Anschlusserklärung ist bei dem Gericht schriftlich einzureichen, § 396 Abs. 1 StPO. Der Nebenkläger kann sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen. Ihm kann auch durch das Gericht im Falle seiner finanziellen Bedürftigkeit (Prozesskostenhilfe) oder bei besonders schwereren Straftaten gem. § 397 a StPO ein Rechtsanwalt als Beistand beigeordnet werden. Im Falle einer Verurteilung trägt die Kosten dieses Rechtsanwalts der Angeklagte, § 472 StPO.

 

Dem Nebenkläger stehen – ähnlich wie der Staatsanwaltschaft – eigene Verfahrensrechte zu, die in den § 397 - 401 StPO geregelt sind. Insbesondere ist der Nebenkläger, auch wenn er als Zeuge vernommen werden soll, zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung berechtigt. Der Nebenkläger hat auch wichtige prozessuale Rechte wie z. B. die Richter- und Sachverständigen-Ablehnung, das Beweisantragsrecht und das Fragerecht. Darüber hinaus kann er unabhängig von der Staatsanwaltschaft Rechtsmittel einlegen, allerdings nicht in Bezug auf die Höhe des Strafmaßes.

 

Im Strafverfahren gegen Jugendliche ist die Nebenklage nur bei Verbrechen gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit oder die sexuelle Selbstbestimmung, oder nach § 239 Abs. 3, § 239a, § 239b StGB oder § 251 StGB, auch in Verbindung mit den § 252, § 255 StGB oder bei bestimmten Vermögensdelikten (§ 244, § 249, § 252, § 255, § 316a) zulässig.